Geliebte Esmaralda!
Eine Collie-Hündin von Format!

Esmé

Der Kenner sagt: "Einmal Collie - immer Collie".

 

Es war Ende August des Jahres 1996. Ich war gerade in den Ruhestand getreten und ließ unserem Grundstück zu dem Zeitpunkt einen neuen feuerverzinkten Zaun setzen. Ich befasste mich mit dem Gedanken, meiner kleinen Zwerg-Langhaar-Dackelhündin zu einer Freundin zu verhelfen. Vielleicht auch mir damit einen Traum zu erfüllen, mit eventuell einem …. Collie !?  Ich kannte und liebte diese Rasse schon seit Kindesjahren.
Der Anrufbeantworter blinkte und sagte, dass eine Dame von einer hiesigen Tierhilfe angerufen hatte. Wir kennen uns seit Jahren! 
''Oh! Das hatte sicherlich eine besondere Bedeutung .....''!

Ich rief sofort zurück und wurde gefragt: "Suchen Sie noch immer einen Collie?" Ich war wie elektrisiert !! Wie kommt ein Collie in die Tierhilfe ?
Wer macht denn so etwas? (Naiv gedacht!..) Nach kurzer Unterhaltung, Schilderung der Situation. Ein Collie, der in Not war !!!
Keiner nimmt sich des Hundes an. Wir kamen überein, dass sie mir die Hündin am nächsten Tag vorstellt.
Rein intuitiv  fühlte ich "da kommt eine arme, bedauernswerte Hundeseele zu mir !" Und so passierte es!

Am Nachmittag des folgenden Tages stand die Dame vom TS mit "meiner Esmé " vor der Tür.
Ich sah ihr an, dass sie in ihren 4-5 Lebensjahren kaum Gutes erlebt hatte.
Für die Leichtfertigkeit ihrer Vorbesitzer bezahlte sie alleine die Rechnung.

Wir gingen alle drei ins Wohnzimmer und setzten uns. Die Hündin bei der Dame vom TS an der Leine.
Ich bat, sie möge ihr doch die Leine abnehmen. "Ja, ich weiß noch nicht, wie sie auf sie reagiert, Esmé ist jetzt total auf mich fixiert.''
Frau R. ist die Liebe in Person. Damit umgibt sie Tiere wie Menschen. Ich sagte einmal zu ihr: " Für das, was Sie für Ihre armen Hundewaisenkinder tun, werden Sie bestimmt einen schönen Platz im Himmel bekommen - einen Fensterplatz - !!" Ja, sagte sie: "Wenn da auch Tiere um mich sind."?  -  Sie selber hat in ihrem Leben viel gekämpft und so manchen Kummer ertragen, den andere ihr zufügten.
Daher ihr Wahlspruch: "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere".

Esmé saß neben Frau R. und fixierte mich. Ihre Rute bewegte sie leicht hin und her und sie trat von einer Pfote auf die andere und sie vermittelte mir fast den Anschein, als wenn sie mich anlachte. Dadurch motiviert, sagte ich mit betont ruhiger Stimme: "Na, - komm doch mal her". Und Esmé kam ganz langsam auf mich zu. Sie verhielt einen Moment, dann kam sie ganz dicht heran, - legte ihren Kopf auf mein rechtes Knie und schaute mich mit ihren wunderschönen Augen an. Diese Augen, schöner als die von Gina Lollobrigida, schienen zu fragen:...... ''Darf ich bleiben''?
Von da an wusste ich, dass ist mein Hund, so lange sie lebt. 
Auch wenn sie zwei hoch stehende Ohren hatte, es machte mir nichts aus. (Charakter geht vor Optik.) Und wäre sie ''Dorfschmieds Moppel'' gewesen, es wäre mir auch egal! Sie war wirklich in Not, - heimatlos! Auch ich war einmal heimatlos mit meiner Mutter, 1945!
Und es erbarmte sich auch eine Frau um uns.
Ich hatte mit Tränen zu kämpfen und sie rollten dann auch bald. Freudentränen! -
Esmé registrierte es. - Sie kam ganz dicht an mich heran und legte ihre Pfote auf mein Knie. Ich herzte und streichelte sie und hatte nur einen Wunsch, dass meine ganz liebe Frau R. sich doch bitte bald verabschieden möge. Sie verließ uns auch bald darauf, nicht ohne mir zu erzählen, dass die Hündin aus 4. Hand kommt und zwischenzeitlich auch vier Namen hatte. Der schlimmste war ''SUSI'' ! Frau R. gab ihr den Namen ''Esmeralda'', machte aber ''Esmé '' daraus. Na ja, …... aber noch mal umbenennen wollten wir sie nicht. Die Arme hätte ja gar nicht mehr gewusst, wie sie nun eigentlich heißt.

Sie hatte keine Wurzeln - niemand kannte ihren Züchter - niemand wusste ihr Geburtsdatum oder konnte genaueres über ihren Lebensweg sagen. Sie war schon einmal im TS und vermittelt worden. Da wurde sich nur um sie gekümmert, wenn der studierende Sohn in den Semesterferien zum Besuch kam.
Sonst passierte nichts. Esmé fristete ihr Leben in einem Zwinger, zusammen mit einem Schäferhund und einer Rottweiler-Hündin.
Dem Hundekenner wäre es sofort aufgefallen an ihren Ohren, den Lefzen und dem ausgebrochenen Vorderzahn im Unterkiefer.
Esmé war kastriert.
Unserem Tierarzt fiel der unfachmännische Riesen-Bauchschnitt auf.
''Sollte sie aus Polen gekommen sein'', fragte er? Ich habe es nie erfahren.

Als ihr letztes Frauchen verstarb, war es gleichzeitig auch eine Erlösung für den Collie.

Frau R. verließ mich mit den Worten "es wird höchste Zeit, dass der arme Hund endlich zur Ruhe kommt"!  Als ich sie noch zum Gartentor begleitete, meine Esmé bei mir bei Fuß, meinte Frau R.: "Bleiben Sie bloß im Haus, der Hund läuft mir doch hinterher...!" 
Was aber tat Esmé,  -  sie machte kurz kehrt und lief alleine zurück ins Wohnzimmer! Als ich dann rein kam, lag sie neben meinem Sessel und wartete.

Wer kann ermessen, wie überglücklich ich war? Ich hatte endlich wieder meinen Collie....!
Allerdings war ich oft betrübt darüber, dass ich so gar nichts über sie wusste. Der Geburtstag fehlte mir sehr.
Sie entpuppte sich in kurzer Zeit als eine Hündin von Wert.
Eben eine echte Colliehündin !

Nun begann ich mir meine Hündin genauer anzusehen und ich entdeckte wie erbärmlich heruntergekommen sie war. Eine Nachbarin hielt sie zunächst für einen Sheltie. "Das ist kein Collie, die Hunde sind doch viel größer ?" Dann begann ich mit ihr aufzuarbeiten, was gewissenlose Vorbesitzer durch schlechte Haltung verdorben hatten. Ich kaufte, kochte selber, alles was sie aufbaut und wieder zu einem Collie von Format werden ließ. Nichts war mir zu teuer, nichts zu viel, und meine Esmé wurde mit der Zeit schön und schöner. Spaziergänger blieben am Zaun stehen und bewunderten sie.
Ich stand stolz hinter der Gardine...

Da der Collie ein Hund von besonderen Liebe und Hingabe ist, entwickelte Esmé sehr schnell einen starken Beschützertrieb. Wer auf dem Bürgersteig an unserem Haus vorbei ging, während Esmé auf einem ihrer Lieblingsplätze lag, der bekam erst mal konkrete zurechtweisende Grundregeln, die der, den sie betrafen, vermutlich mit einem Satz auf die anderen Straßenseite zur Kenntnis nahm. "Hier hat kein Fremder etwas zu suchen, - hier wache ich!" 
Und sie war  w a c h s a m !!  Sehr zum Ärger unserer Nachbarn.

Ein ganz besonders roher Geselle stierte sie an wie der Teufel das Weihwasser ! Esmé merkte es und konnte ihn fortan nicht mehr leiden. 
Sie verbellte ihn lautstark, ich konnte es ihr nicht abgewöhnen. Bis dieser Mensch dann so weit ging, sie vermehrt zu attackieren!
Er schlug im Anlauf mit Schirm oder Stock nach ihr, obwohl sie auf unserem Grundstück war.

Damit war Esmés Menschenfreundlichkeit angekratzt gegenüber jedermann, der hier in der Straße lebte. Wer wollte ihr das verdenken? Ich stellte den ungehobelten Bolzen mit seiner pubertären Unart zur Rede, und forderte ihn auf den Hund nicht mehr anzugreifen, er wird das nie vergessen. Aber auch ich machte meine Erfahrung, indem er mich überhaupt nicht zu Worte kommen lies, ... mich beschimpfte und beleidigte.

Wenn Esmé ihn kommen sah, bellte und knurrte sie, zeigte die Zähne. Auf gleicher Höhe mit ihr schrie er sie an ''Schnauze Du Sau''!
Heute hat er einen Border-Collie, der genau so viel bellt wie andere Hunde auch.

Nun fiel mir eines Tages auf, dass ein kleines zartes Mädchen, etwa 7 - 8 Jahre alt, ein entzückendes Geschöpf - wie eine Elfe - immer laut weinend an unserem Haus vorbei lief. Esmé lief auf der Innenseite des Zaunes bellend neben ihr her. Ich begann mein Augenmerk darauf auszurichten und beobachtete, dass das Kind weinend wieder zurück lief. Eine junge Frau kam dann mit der Kleinen an der Hand und führte sie schützend an unserem Gartenzaun vorbei. Das ging natürlich n i c h t ! Ich passte beide ab - Mutter und Tochter - und erkundigte mich nach dem  w a r u m  ?
Das kleine Mädchen, ein krankes Kind, hatte große Angst vor Esmé!

Ich bat beide in den Garten und führte die kleine asthmakranke Hanna an der Hand zu meiner Hündin, die sie schon freundlich anwedelte. Hanna weinte und suchte Schutz bei ihrer Mutti. Esmé merkte es und schaffte von sich aus Abhilfe. Sie stellte sich ganz dicht neben Hanna und beschnupperte sie. Mit ihrer lustigen Art sich zu artikulieren, ließ sie erkennen, dass sie mit Hanna spielen wollte. Sie sauste los, holte ihren Ball und legte ihn Hanna zu Füßen. Hanna stutzte und wunderte sich nicht wenig, dass der Hund ja gar nicht mehr bellt ?! ''Warum ist sie jetzt ganz anders''? ''Esmé ist eine ganz Liebe, Hanna. Jetzt nimm Deine Hand und streichle Esmé, sie wird sich darüber freuen und Du brauchst keine Angst mehr vor ihr haben". Hanna ging in die Hocke und streichelte Esmé über den Kopf, zog aber die Hand sofort wieder weg. Die Hündin beschnupperte sie eingehend und leckte ihre Hand. ''Hanna, das war eine Liebeserklärung,'' sagte ich. Hanna lachte! Es war das erste Mal! Ein wunderschönes Lachen und es berührte mich sehr. Dieses Kind war etwas ganz besonderes, etwas einzigartiges ! Ich holte Leine und Halsband. Esmé machte Freudensprünge als sie sah, - jetzt geht’s los spazieren - . Ich gab Hanna die Leine in die Hand. "So meine Kleine, nun geh mal ein bisschen mit Esmé im Garten umher." Und die Hündin folgte ihr bei Fuß. Immer wieder richtete sie ihre Augen prüfend auf zu Hanna und aus den Augen des Kindes strahlte helle Freude. Esmé spürte, dass das Kind leidend war und außerdem ein Herzeleid hatte. Auch in der Hinsicht war diese wunderbare Hündin genial, - ihr blieb nichts verborgen.

Während die Kleine sich mit Esmé befasste, erzählte mir die Mutti, dass Hanna an Asthma leidet und viel im Krankenhaus war. Einige Wochen nach ihrer Geburt wurde sie am offenen Herzen operiert. Sie ist immer noch ein Sorgenkind und erschwerend für sie kommt hinzu, dass sie von den Kindern ihrer Klasse gehänselt und abgelehnt wird, weil sie auch während des Schulunterrichts Asthma-Anfälle bekommt und die Kinder dann zusehen. Statt dem Mädchen unterstützend zu helfen, wurde sie von allen rigoros  ausgegrenzt !  Hanna steht alleine da, ohne auch nur eine Spielgefährtin oder Freundin zu haben. Darauf zog sie sich von allen und allem zurück. Sie igelte sich in ihrem Zimmer ein und verließ das Haus nur für die Schule.  Im Schulbus wurde sie von den Kindern drangsaliert. Man stahl ihr die neue Mütze vom Kopf und warf sie unter einen vorbeifahrenden LKW, oder schüttete ihre Schultasche aus, quer über den Gang im Buss. Sie wurde geschlagen. Lehrer richteten nichts aus. Als ich das alles hörte drehte sich mir das Herz um.
Was für brutale, gefühlsrohe Kinder! Wie werden sie als Erwachsene sein ?

So beobachtete ich das Verhältnis Hanna/Esmé weiter und sah bald, dass die Kleine zarten Kontakt zur Hündin knüpfte. Sie hielt an am Zaun und sprach mit ihr, während Esmé mit freundlichem Wedeln dankte. Wenn Hanna weiter ging, lief Esmé neben ihr her bis der Zaun zu Ende war. Dabei sah sie Hanna noch eine Weile mit glucksendem Hinterherbellen nach: ...''Du! Komm zurück.... bitte...!'' Hanna blieb es nicht verborgen.  Esmé hatte bald die Zeit inne da Hanna aus der Schule heim kam. Und das Mädchen freute sich, dass Esmé auf sie am Gartentor wartete. Ich lud sie zu mir ein, damit sie sich besser mit der Hündin anfreundete, aber Hanna war immer noch sehr gehemmt. Sie hatte sich innerlich zu sehr verschlossen und wirkte sehr introvertiert. Selbst ihre Lehrer und die behandelnden Ärzte waren ratlos. Es wurde befürchtet, dass das Kind einen psychischen Schaden davon trägt. Es musste etwas geschehen. Die Familie - Eltern und Schwester – litten mit. Die größere Schwester schlief bei Hanna im Zimmer, damit gehört wurde wenn Hanna wieder einen Anfall hat. Dieses Kind lebte in einer Bilderbuchfamilie und war dennoch unfrei und traurig.

Wir hatten inzwischen Winter. Herrliche Wintertage mit viel Schnee, Frost, blauem Himmel und Sonnenschein. Ich rief Hannas Mutter an, ob sie es erlauben würde, wenn Hanna heute mal mit Esmé an der Leine in diese schöne Winternatur geht? Ganz alleine! Es würde gut sein für das Kind und Esmé ist lammfromm und tut ihr nichts. Die Mutter hatte nichts dagegen. Ich wartete am Zaun, bis Hanna aus dem Bus stieg und fragte sie, ob sie heute nicht einmal mit dem Hund an der Leine ein bisschen in den Schnee gehen möchte ? Esmé ermutigte sie durch kurzes Aufbellen, so als ob sie verstanden hatte. Die Kleine (sie war nun schon etwas größer) überlegte, sah immer von mir zum Hund und rannte plötzlich los.
Im Laufen rief sie noch zurück. "Ich muss schnell essen, dann komme ich !"

Nach einer Stunde kam sie angelaufen. Kam gleich in den Garten und Esmé begrüßte sie freudig. Das Glück der ganzen Welt stand in ihren Kinderaugen. Ein unvergesslicher Moment für mich! Ich leinte meine Hündin an und gab Hanna die Leine in die Hand. "So meine Kleine und nun viel Spaß!"

Und beide trollten davon! Es lag viel aufgewehter Schnee. Die Kinder wissen das und nutzen die Gegend als winterlichen Tummelplatz. Esmé sprang und hüpfte um Hanna herum und Hanna wusste gar nicht, wie sie das alles fassen sollte. Dieser Hund, vor dem sie solche Angst hatte, war so lieb zu ihr und nun schließlich ihr Freund ?? Das baute das Kind sichtbar auf. Esmé wirbelte jedes Mal um sie herum wie ein Brummkreisel.

In der Zwischenzeit rief mich die Mutter an und berichtete mir wie glücklich und aufgeregt Hanna ins Haus kam, um ihr zu erzählen: "Mutti stell Dir vor, - ich darf heute mit dem schönen Collie spazieren gehen, - ganz alleine, mit dem wunderhübschen Hund, stell Dir das mal vor. Frau P. hat es mir erlaubt. - Ich kann das gar nicht glauben." ''Sie weinte Freudentränen,'' sagte die Mutter. Und ich war glücklich darüber, dass ich dem Kind damit eine Freude machte, die Hanna so nötig brauchte. Freude entwickelte sich auf allen Seiten. Hanna und Esmé kamen unbeschadet zurück, aber voller Schnee.

Esmé wurde Hannas Therapie-Hund ! Das wurde dann auch von den behandelnden Ärzten und den Lehrern wahrgenommen. Nach einiger Zeit fiel es in der Schule auf, das Hanna einen gehörigen Sprung nach vorne machte. Auch die Ärzte, die Logopädin, wollten wissen, was Hanna so verändert hat ? Als die Mutter von Esmé erzählte sagten alle:  "W e i t e r m a c h e n ! Nicht aufhören! "

Als die Kinder unsere Hanna nun mit einem so großen schönen Collie, der einzige in der Stadt, herumspazieren sahen, vollzog sich auch bei diesen eine Kehrtwendung. Es dauerte dann nicht mehr lange und bei Hanna gingen zwei nette Mädchen im gleichen Alter nebenher. "Wir wollten auch gerne mit dem hübschen Hund mitgehen", sagten sie. Na klar, warum nicht ? Wobei Hanna unendlich liebevoll mit der Hündin umging. Das war ein Leben hier in Haus Hof und Garten! Esmé kam voll auf ihre Kosten !! Meine kleine verhärmte Hanna entwickelte sich immer besser. Sie blühte auf zu einem ganz entzückenden Backfisch.  Die Asthmaschübe bekamen längere Intervalle. Hanna war nur mit dem Hund draußen auf Felder und Wiesen. Auf einer Rastbank aßen sie zusammen mitgenommene Leckereien und Hanna erzählte Esmé von sich und Esmé hörte zu. Sie tobte mit ihr im Garten ihrer Eltern wie auch bei uns. Sie nahm sie mit zur Badeanstalt und Esmé passte auf Hannas Sachen, indem sie sich einfach drauflegte. Beide machten gemeinsam Verwandtenbesuche und gingen zu Teenager-Geburtstagen. 
Esmé genoss Respekt und Bewunderung, weil die Leute ihre Bedeutung in Verbindung mit Hanna kannten.

Beide waren von Herzen fest mit einander verbunden. Keine Hanna ohne Esmé, keine Esmé ohne Hanna. Auch hier in der spießigen Nachbarschaft hatte sie bald ein besonderes Ansehen. Leute standen am Zaun und begrüßten sie freundlich. Bis auf unseren Lieblingsfeind. - Der blieb bei ''Schnauze Du Sau''!

Es war für mich und meinen Sohn die Zeit sehr glücklicher, ausgeglichener Jahre. Dafür sorgte unser Hund mit seiner hingebungsvollen Liebe, seinem Gehorsam, seiner ansteckenden Fröhlichkeit. Sie ging ohne Halsband, um dem üppigen Kragen nicht zu schaden. Eine Leine brauchte sie nicht, Esmé ging gehorsam bei Fuß. Sie dankte uns jeden Tag dafür, dass wir sie aus ihrem trostlosen Dasein befreiten.
Mir soll nie ein Mensch sagen ''Tiere haben weder Seele noch Verstand" -  -  oh, … weit gefehlt !! 
Was ihnen fehlt ist die Sprache.
Und wenn sie dann reden könnten und würden, dann würden Menschen dieser verhunzten Welt hoffentlich im Erdboden versinken,
dafür, was sie Tieren antun !!

Durch all die Freude an unserem Hund kam mir und meinem Sohn niemals der Gedanke, dass für Esmé und uns auch einmal der Tag des Abschiednehmens kommen könnte. Der Gedanke war uns völlig fremd, ja einfach absurd.
Und dennoch:  Der Tag kam! So unerwartet, so erbarmungslos, dass es meinen Sohn und mich fast aus der Bahn warf.

Mir fiel auf, das unser Hund anfing sich häufig zu übergeben. Unsere Hanna ging mit ihr zum Tierarzt. ''Nichts beängstigendes. Sie ist ja schließlich schon 14 Jahre alt, ..... vielleicht sogar älter (??) und da können ein paar Querelen schon vorkommen.'' Therapie: Tabletten 2 x pro Tag und einen Saft den sie sehr gerne nahm. Das Erbrechen ließ nach. Aber es fiel uns langsam auf, dass unser Hund nicht mehr so quirrlich und lustig war wie sonst. Unser kleiner Shih Tzu, das "Puschelchen", den ich inzwischen auch noch vom TS übernahm, aus einer ganz schlechten Haltung, - verstand es auch nicht, warum Esmé nicht mehr so mit ihm im Garten tobte? So erklärte sich unser Zwerg mit Esmé solidarisch und lag mit ihr gemeinsam auf der Hofeinfahrt in der Sonne und beide warteten sie auf Ullis Heimkehr vom Dienst, zur Belustigung der vorbeigehenden Spaziergänger.
''Mercedes S-Klasse und der kleine Smart", - hörte ich sie witzeln.

Ich richtete jetzt mein besonderes Augenmerk auf Esmé, es fiel mir aber keine besondere Veränderung an ihr auf. Eben nur, dass sie bedeutend ruhiger wurde. Hanna war inzwischen 18 Jahre alt, ein bildschönes junges Mädchen, voller Lerneifer, das mitten im Abitur stand und mit Begeisterung Ballettunterricht nahm. Sie fand keinen Abstand zu Esmé. Ging immer nach dem Büffeln für Schule und Abitur mit ihr auf längere Spaziergänge in Wald, Wiesen und Natur, zusammen mit Puschelchen, den sie zurück meistens tragen musste. Abschließend tastete Sie beide nach evtl. Zecken ab.
Bei Esmé wurde sie gelegentlich fündig. Die Zeckenzange trug sie in der Tasche.

Bis Hanna eines Tages sagte: "Ich weiß nicht, es kommt mir vor, als wenn Esmé keine große Motivation mehr hat. Sie möchte lieber wieder nach Hause. ..... Danach fing plötzlich wieder das Erbrechen an. Schlimmer denn je! Der Tierarzt verschrieb neue Medizin die nur kurzfristig half. Dann kam Durchfall hinzu, die reine grüne Galle! Eine schlimme Phase! Unsere Mausel übergab sich derart, dass es eine Qual war das ansehen zu müssen. Es folgten Erbrechen pünktlich jeden Morgen zwischen 6.30 und 7 Uhr. Obwohl sie guten Appetit hatte. Rinderbrühe mit Reis und Gemüse fraß sie regelrecht mit Gier. Ich kochte es täglich für sie, auch Geflügel und Kochfisch. Hauptsache es war Suppe. Es folgte daraus ein "oben rein, hinten raus. Der Tierarzt gab ihr ein ganz neues Medikament, das viel besser wirkt. Eine Art dickflüssiger Brei. Der Hund nahm es nicht. "Mischen Sie es unter ihr Futter". Sie verweigerte das Futter. Und so ging es hin und her. Ihr Zustand veränderte sich insofern, "ein Tag gut, ein Tag schlecht".

Ich stellte außerdem fest, dass sie unten am Bauch Hautveränderungen bekam. Große dunkelbraune Flecken! Auch hatte sich seit einiger Zeit eine offene Wunde an der rechten Schulter gebildet, der sogenannten "Hot spot" in enormer Größe. Der Tierarzt sagte es könnte von einem Zeckenbiß sein der sich entzündet hat. (Das war unmöglich, dafür passte unsere Hanna auf.) Ich musste sehr auf Schmeißfliegen acht geben, dass die keine Eier in die Wunde ablegten. Das hätte einen Würmerbefall in 24 Stunden bedeutet. Ich begann Esmé zu verbinden. Es wurden ihr Wässerchen und Salben verschrieben, - sie bewirkten gar nichts. Hanna kam jeden Tag nach ihr sehen. Sie machte sich große Sorgen und weinte um ihre kranke Esmé, - ging viel mit ihr zum Doktor.

Meine Mausel schlief wie immer zu meinen Füßen, wenn ich am PC arbeitete und meine Erzählungen und Artikel schrieb. 
So betrachtete ich sie gerne und lange. Es vermittelte so ein Wohlgefühl, solche Geborgenheit. Sie war ein echtes Familienmitglied.

Als ich sie wieder so schlafen sah, fiel mir zum ersten Male auf, dass sie einen stark aufgetriebenen Bauch hatte.
Immer wieder musste ich hinsehen und begann nun sie noch genauer zu beobachten.

Aber was tut man, wenn sich Angst aufbaut? Man verdrängt!..... ''Das gibt sich wieder'' ….. ''Wir wollen erst mal abwarten'' …... und wir taten genau das Falsche. Wir ahnten, was auf uns zukommt. Etwas Unabänderliches, Entsetzliches! Wir mochten sie so dem Tierarzt nicht mehr vorstellen.
Wir hatten zu große Angst vor dem Entschluss des Einschläferns !

Mein Sohn wie auch ich wollten nicht Herren über Leben und Tod unserer treuen Hündin sein.

Wir sahen es gleich Mord, waren unglücklich, litten unermesslich und klammerten uns an jeden Strohhalm. Wir waren zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Unser Hund fühlte unser Herzeleid mit. Wenn wir neben ihr saßen nahm sie engen Körperkontakt zu uns auf, als wenn sie trösten wollte.

Einen Tag später: Sie hatte sich wieder übergeben, die pure Galle! Ulrich ging mit ihr in den Garten. Da entledigte sich ihr gequälter, kranker Körper aller Sekrete und Flüssigkeiten die ihn so aufgetrieben hatten. Es kam von hinten und von vorne. Selbst damit hatte sie gewartet bis sie draußen war. Ulrich reinigte sie, versorgte sie mit Wasser, dass sie gierig aufnahm und wieder erbrach. Mein Sohn wich nicht von ihrer Seite

Als er dann vor mir stand und sagte ''Esmé ist zusammengebrochen - sie kommt nicht mehr hoch'', ich glaube wir begriffen auch da noch nichts. Ulrich rief unseren Tierarzt. Es kam eine junge Ärztin die Urlaubsvertretung machte. Sie wollte den Hund zunächst zur Untersuchung mitnehmen, aber sie war nicht mehr transportfähig. Darauf spritzte die Ärztin Codein, Vitamine und Antibiotikum, dass sie wieder auf die Beine kommt.  In 2 Stunden geht es ihr besser, sagte sie. Sie fuhr los aber unserer Esmé ging es statt besser immer schlechter.

Wir hofften darauf wie der Volksmund sagt ''es muss erst schlechter werden, bevor es besser wird '''.

Keiner von uns wollte begreifen das unser Hund im Sterben liegt? Ulrich kümmerte sich rührend um sie. "Ich glaube es geht ihr etwas besser" meinte er sich selbst tröstend und ließ sie nicht einen Moment aus den Augen.
Gottlob – Hanna war mit den Eltern in Urlaub.

Meine Mausel lag auf ihrem Stammplatz im Garten vor der Haustreppe, das Wasser lief ihr unaufhörlich aus dem Mund. Die rose Farbe des Kiefers, Mund und Zunge war weiß geworden. Sie lag still und friedlich da. Wenn ich sie ansprach, streichelte, wollte sie den Kopf heben, aber sie hatte die Kraft nicht mehr. Sie winselte leise zu mir hin und mir brach fast das Herz. Ich riss mich zusammen, dass ich vor ihr nicht laut losheulte. Ulrich holte nochmal Wasser aus der Küche. Ich ging hinterher um mir einen Stuhl heraus zu nehmen. Als ich damit vor der Haustür stand und zu meiner Esmé schaute, durchfuhr mich ein entsetzlicher Schock!

Unsere  geliebte Esmé war tot …! Klein und zusammengefallen lag sie da. Sie hatte den Moment genutzt, als Ulrich und ich nicht bei ihr waren. Da ging unsere wunderbare Esmé ging still und alleine heim über die Regenbogen-Brücke ins Regenbogenland.
Ulrich und ich brachen zusammen in Tränen, Trauer und Leid über den Verlust dieses einzigartigen Hundes.
Ein treuer Lebenskamerad für uns, für Hanna und ihre Familie wurde sie zur Ikone.

Mein Sohn hatte zwar in der Zwischenzeit noch mal nach der Ärztin gerufen, als sie kam, war unsere Esmé schon heimgegangen.
Die Ärztin fragte uns ob sie schon ausgelaufen ist? Nein – nichts. Was sollte da noch auslaufen?

Sie ließ uns Zeit von unserer Esmé Abschied zu nehmen und blieb lange bei uns. Wir waren durch nichts zu trösten. Als wir sie nach der Ursache des Todes fragten, antwortete die Tierärztin: ''Sie hatte einen großen Lebertumor, der in der Endphase platzt. Dann verblutet der Hund innerlich.''

Während ich erzähle. laufen meine Tränen, so gegenwärtig ist mir die schöne Zeit mit unserer liebenswerten Esmé.

Als Hanna acht Tage später ''ihren Hund'' zum Einkaufen in die Stadt mitnehmen wollte und die traurige Nachricht erfuhr, traf es sie wie ein Schlag!
Sie war untröstlich, zu tiefst erschüttert! Sie meldete sich in der Schule am kommenden Tag krank. Auch in der Schule weinte sie, dass ihr Klassenlehrer sie bat von diesem Hund zu erzählen. Hanna trug sehr schwer an dem Verlust. Nur gut, dass sie ihre Krankheiten überstanden hatte.
Lange noch fragte sie uns, ob wir wieder einen neuen Collie bekommen?
Nein. Esmé ist zu gegenwärtig.

Sie starb am 24. September 2006, mittags um 13:55 Uhr.

Meine stille Bitte geht oft an unseren Herrgott: "Gib sie uns dereinst wieder."

Ein Nachbar sagte einmal: ''Ein Hund im Haus ersetzt den Bewegungsmelder''. Ich hatte zu ihrer Zeit nie Angst alleine im Haus zu sein. Sie sagte mir zuverlässig, wen ich einlassen konnte und wen besser nicht. Ich brauchte nur auf die Art ihres Bellens zu achten! Dann öffnete ich erst gar nicht.
Bei unserem Puschelchen ist das anders. Ihn muss man erst wecken, wenn die Einbrecher im Haus sind.
Statt zu bellen wird er sie freundlich begrüßen und fragen, ob er Kaffee kochen soll..... ??

Einziger Trost ist, dass Esme bei uns ein schönes Leben hatte, in einem ruhigen Zuhause, von Menschen umgeben,
die sie von Herzen liebten, sie respektierten.
Sie liegt begraben unter drei großen weißen Birken auf einer Erhebung unseres Grundstücks,
ihrem schattigen Platz, wenn es im Sommer zu warm war.

******

Geschrieben von der Besitzerin von Esmaralda.
Copyright

 

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